GALERIE PROFIL
2014

Nachdem im Februar 2014 die Ausstellung “Kanon“von Inge Mahn zu Ende ging, folgte das Intermezzo 20: „My secret Garden“ mit der in Berlin-Neukölln lebenden Künstlerin Miriam Wuttke (*1975). Gemeinsam mit der Kuratorin der Ausstellung Barbara Fragogna wurde ein geheimer Garten aus Neukölln als Installation eines „Secret Garden“ nach Mitte in die EMERSON Gallery Berlin geholt. Dieser geheime Garten war eine verwilderte Brachlandschaft einer ehemaligen Kleingartenkolonie, dessen Vergangenheit Miriam Wuttke aufzuspüren begann. Aus Fundstücken und Fragmenten entstanden Werke, welche die einstigen Symbole städtischer Idylle in einem ironischen, melancholischen Licht abbilden. Denn der Garten musste schließlich den Baggern weichen, sodass Wuttkes Bilder heute die Vergänglichkeit eines kuriosen großstädtischen Ortes dokumentieren. In der EMERSON Gallery Berlinkann sich der Besucher auf eine nostalgische Reise am Rande der großen Neuköllner Gentrifizierungswelle begeben. Der Blick in die Vergangenheit weckt mit einem Augenzwinkern das Kind in uns, lässt uns das Geheime im Alltäglichen entdecken.

Mitte März wurde die zweite Einzelausstellung in der EMERSON Gallery Berlin von Colette Murphy unter dem Titel „White Elephant“ eröffnet. In ihrer Ausstellung, zeigte Murphy Polaransichten mit Eisbergen, Eisschollen und Schiffen, die im Polarmeer kreisen. In Öl gemalt, mit kalten Farbtönen sind die Ansichten auf rohes, braunes Leinen gebannt. Massive, kalte Eisblöcke auf warmem naturbelassenem Hintergrund kontrastieren miteinander – das Symbol des Eisbergs als ökologisches Thema auf unberührter Natur. Für die irisch-amerikanische Malerin sind Eisberge, wie weiße Elefanten, schützenswert. Bedroht von der globalen Erderwärmung sind sie Symbole für eine intakte Umwelt. Vom Land losgelöst und getrieben vom Wasser wandern sie um die Welt, lösen sich auf oder schaffen neues Land. Colette Murphysieht in ihnen Metaphern für menschliche Isoliertheit und Emigration, für Vergänglichkeit und Verletzbarkeit.
Einen Höhepunkt der Ausstellung bildete das Werk mit dem sinnbildlichen Titel „Summit“ (Gipfel), auf dem ein Eisberg von ordentlich aufgereihten Soldaten dicht bevölkert wird. Einer alten Fotografie von einer Polarexpedition nachgestellt, veranschaulicht es die Bezwingung der Natur bis an die Grenzen der Zivilisation. Ein menschlicher Fußabdruck auf der vergänglichen Materie des Eises.

Im Mai präsentierte der isländische Konzeptkünstler Steingrimur Eyfjörd seine dritte Einzelausstellung in der EMERSON Gallery Berlin. Mit dem Titel »KELLINGIN – Altes Weib« bezieht sich der Künstler auf die isländische Sagengestalt einer alten Frau, einem sogenannten Trollweib. Neben Volksmärchen und Sagen des Nordens schöpft Eyfjörd seine Inspiration aber auch aus Träumen und dem (politischen) Tagesgeschehen. Ein kurioses Konglomerat, was neue Perspektiven eröffnet.
Dieses Mal lud Eyfjörd mit sieben exklusiven Kunstbüchern und insgesamt 238 Grafiken die Besucher ein, auf gesellschaftkritische Entdeckungsreise zu gehen. Stöbert man in den detailverliebt erarbeiteten Büchern, offenbaren sich private Erlebnisse, kritische Beobachtungen von Politik und Gesellschaft sowie künstlerische Überlegungen. Texte, Zeichnungen und Fotos dokumentieren auf künstlerische Weise die Gedankengänge und Erfahrungen Eyfjörds. Doch die Bücher sind mehr als bloße künstlerische Tagebücher: Durch amüsante Anleitungen des vom Fluxus inspirierten Künstlers wird der Betrachter zum eigenen Kunsterlebnis animiert. Sinn und Unsinn unserer Gesellschaft, Sozial- und Kunstkritik werden somit interaktiv erfahrbar.

Nach acht  Jahren ihres ersten gemeinsamen Auftritts in der EMERSON Gallery Berlin kehrten im Juni auch Cathy Busby und Garry Kennedy nach Berlin zurück. In zwei aufeinanderfolgenden Ausstellungen bespielten die beiden Konzeptkünstler aus Kanada die Galerieräume. Zunächst passte Cathy Busby ihr fortlaufendes Projekt “Sorry” an die großzügigen Wände der Galerie an. Seit 2003 sammelt Busby Entschuldigungen von Prominenten in Form von Videostills und Zitaten. Die entstandene Chronik offenbart die Laster, Sünden und Missgeschicke und die daraus resultierenden Geständnisse von international bedeutenden Persönlichkeiten, wie Politikern, Athleten, religiösen Führern und Stars der Unterhaltungsbranche. Die unterschiedlichsten Gesten der Reue und des entschuldigenden Posierens wurden von ihr erbarmungslos nebeneinandergestellt. Im Anschluss präsentierte Garry Kennedy sein neues Projekt “The Big Five”, das er speziell für die hohen Wände der Galerie konzipierte. Riesige Wandmalereien gaben die Logos der fünf mächtigsten kanadischen Banken akkurat und präzise wider. Doch indem sich die Farbgebung von einem zum nächsten Logo verschob, wurde die Gesamtgestaltung bewusst verfremdet. Ein für den Betrachter verwirrender und störender Effekt der sich beim Anblick sofort einstellte und einen verfälschten Eindruck hinterlies. Selbst unbekannte Logos werden dadurch zum Ausdruck der unpersönlichen Internationalisierung von Marketing- und Nachrichten-Jargon, über nationale Grenzen hinweg zu erkennen. Sowohl Busby als auch Kennedy zeigen sich als zurückhaltende Meister des kritischen Denkens. Sie lassen die Protagonisten ihrer Werke für sich sprechen, wodurch die wahre Aussage ihres Redens entschleiert wird. Die Ironie der Gesamtsituation bleibt nicht zu verkennen.

Im Rahmen der kanadischen Konzeptkunst-Ausstellung hatte die US-amerikanische Schriftstellerin, Redakteurin und Sozialkritikerin, Rebecca Walkerihren ersten Auftritt in der EMERSON Gallery Berlinmit einer Lesung aus ihrem ersten Roman „Adé: A Love Story“. Seit ihrem 1992 erschienenen feministischen Manifest „Becoming the Third Wave“ („Die dritte Welle werden“) und dem großen Erfolg ihres autobiografischen Buchs Black, White and Jewish („Schwarz, weiß und jüdisch“; 2000), gehört Rebecca Walker zu den Leitfiguren einer neuen Generation und des neuen Denkens in den Vereinigten Staaten. Begleitet mit Übersetzungen und Kommentaren in deutscher Sprache wird Walker von der Berliner Sängerin Astrid North, die ehemals Mitglied der Soul-Band Cultured Pearls war.

Ab August diesen Jahres präsentierte die EMERSON Gallery Berlin bereits ihr 9. Sommerfestival der Internationalen Kunst, dieses Jahr mit dem Länderschwerpunkt: Ecuador trifft Berlin – Mittelpunkt. Kuratorin des diesjährigen Festivals war die in New York lebende Künstlerin Cecile Chong.
Bei der I. Staffel des Festivals mit dem Titel „Souvenir“ präsentierte die gebürtige Ecuadorianerin ihre eigenen Arbeiten in einer Einzelausstellung. Chong arbeitet mit einer Fülle an Materialen, von Textilien bis hin zur Enkaustik. Schlichte Bilder, etwa von Kindern oder Frauen in traditioneller fernöstlicher Kleidung, bilden den Ausgangspunkt einer Künstlerischen Reise in ein mysteriöses Cul-de-Sac, das ergreifend und ungreifbar zugleich erscheint. Die Betrachter konnten sich nicht nur von der Kunst inspirieren lassen, sondern auch hinterfragen, was spezifisch ecuadorianisch an den gezeigten Werken ist. Natürlich warf dies auch die Frage nach der eigenen Erwartungshaltung auf.
An einem Abend während des Festivals fand eine Sonderveranstaltung mit einem einzigartigen Multimedialen Erlebnis aus Ecuador statt: DJ Lightbolt trat das erste Mal in Deutschland auf. Er nahm die Besucher mit auf eine Klangreise mit Tanzmusik durch Südamerika und mit gebeamten DJ-Apps auf die Tanzfläche: Ausgangs- wie auch Endstation war dabei Ecuador.

Die II. Staffel des 9. Sommerfestivals zeigte in der Ausstellung „Mittelpunkt“ die Vielfalt der zeitgenössischen Kunst in Ecuador mit sieben ecuadorianischen Künstlern: Francisco Donoso,  Ati Egas, Nicky Enright, Gisela Insuaste, Ronny Quevedo, Karina Aguilera Skvirsky, Mary Valverde und Cecile Chong. Der Titel der Ausstellung, bezog sich unter anderem auf die Lage Ecuadors am Äquator und rief damit die Frage auf, was als zentral oder auch als grenzwertig bezeichnet werden kann. Über Videos und Fotographien bis hin zu Skulpturen erhielt der Besucher der Ausstellung einen Eindruck verschiedenster Sichtweisen. Die Galeriefront zur Spree hin wurde von Francisco Donosobeispielsweise durch kirchenfenster-ähnliche, aber postmoderne Glasmalerei umgewandelt. Nicky Enright offerierte dagegen eine humorvolle Kritik an globalen Unternehmen, ihren Symbolen und ihrer Sprache. Mary Valverde präsentierte Fotographien, die ihre ecuadorianische Identität darstellen und gleichzeitig in Frage stellen.
Passend zur lateinamerikanischen Tradition, fand als Begleitpogramm eine Piñata-Feier statt. Eine Piñata ist eine mit Süßigkeiten oder Spielzeug gefüllte und dekorierte Figur aus Pappmaché, die an Feiertagen oder anderen besonderen Anlässen feierlich und vornehmlich von Kindern zerschlagen wird. Daher waren zu diesem Anlass vor allem Kinder willkommen.

Zum Auftakt des Kunstherbstes präsentierte die Berliner Malerin Heike Ruschmeyer ihre vierte Einzelausstellung mit dem Titel „Spurensuche“, in der EMERSON Gallery Berlin. Seit Jahrzehnten erforscht die Künstlerin mit ihrer Malerei den Tod und die Auswirkungen der Gewalt in unserer Gesellschaft. Beinah jede Serie zeigt auch eine neue Richtung in ihrer Malweise: von der Dramaturgie der Jungen Wilden  bis zu ruhigen zurückgehaltenen Flächen in Grautönen. In ihrer Ausstellung „Spurensuche“setzte sich Ruschmeyer mit deutschen Tatorten des Terrors auseinander: von den Attentaten der RAF vor über 30 Jahren bis hin zu den Angriffen des Rechtsradikalismus im letzten Jahrzehnt. Auch wenn es Darstellungen von Szenen der öffentlichen Gewalt sind, wirken sie sehr intim. Betrachter, die damals die Ereignisse miterlebt haben, werden von einer „ungeheuren“ Nostalgie überwältigt, jüngere dagegen spüren die eingefrorene Geschichte ihrer Gesellschaft. Ruschmeyers Edition zu  der Ausstellung setzt ihre gelegentliche Beschäftigung mit Text in der Malerei fort: Die neuen Arbeiten basieren auf der Poesie von Alfred Lichtenstein im Ersten Weltkrieg.

Im Rahmen unserer experimentellen INTERMEZZOAusstellungsreihe kehrte Ende Oktober das Künstlerpaar Penzo+Fiore zurück in die EMERSON Gallery Berlin, dieses Mal gemeinsam mit einem italienischen Gast, dem Künstler Michele Tombolini. Das seit 2009 bestehende Künstlerduo Penzo+Fiorearbeitet in den Bereichen Installation, Performance, Videokunst und Fotografie. Andrea Penzo und Cristina Fiore wurden beim 7. Sommerfestival der Internationalen Kunst, in der EMERSON Gallery Berlin Italien trifft Berlin entdeckt. Unter dem Titel „I Am“loteten alle drei Künstler die Frage nach Identität spielerisch aus, durch Beobachtung, Rollentausch und durch eine multimediale Präsentation samt Fotografie, Assemblage und Lichtkasten. Die Künstler selbst sahen dieses Ausstellungsexperiment im Kontext von Heideggers Philosophie der Existenz. Eine spannende Alternative war eine eher spielerische Annäherung an das Thema, das kulturelle Aufeinanderprallen zweier Kunstszenen, der italienischen und der deutschen.