GALERIE PROFIL
2013

In der ersten Ausstellung zeigte Ann Noël unter dem Titel „Musings“ neue Werke. Seit ihrer Arbeit mit der legendären Something Else Press im New York der 1960er-Jahre, über eine Lehrtätigkeit an der Havard University bis zu ihrer Zeit in Berlin seit den 1980er-Jahren ist sie immer wieder in verschiedenen Kontexten aufgetaucht und hat die Trennungen der einzelnen Kunstrichtungen und –kreise nie so ganz ernst genommen. Mit ihrem Hintergrund als Grafikkünstlerin und Buchgestalterin beteiligte sie sich an Aktivitäten des Fluxus ebenso wie an denen der Konkreten Kunst, der Performance und sogar der Pop Art. Dabei arbeitete sie mit ihresgleichen wie z. B. mit Emmett Williams, Alison Knowles, AY-O, Ben Patterson und Nam June Paik zusammen. Im Zentrum stand eine Serie von zehn bunten und mittelformatigen, geometrischen Malereien, die über den in griechischer Typographie geschriebenen Namen der neun Musen und ihrer Verwandten Sappho positioniert sind. Auf den ersten Blick erscheint die Verbindung zwischen der geometrischen Malerei und den Namen aus der griechischen Mythologie rätselhaft, denn die Gemälde wirken wie abstrakte Bilder oder verspielte Grafik in Pop-Manier.  Die geometrischen Muster – manche auch mit Anleihen an Zen-Buddhismus – laden ein zur meditativen Betrachtung und stehen in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den jeweiligen Musen. Doch genau dieses Spiel der freien Assoziation – lässt man sich darauf ein – stellt die mittelbare Verbindung zu den Musen her.

An einem Sonntag im März lud die EGB zu einem Konzert mit dem Berlin Guitar Ensemble (BGE) ein. Das BGE vereint die subtile Kraft von Circulations (ein Gitarrist spielt nacheinander einen Ton und „reicht“ diesen zum nächsten weiter) mit den atemberaubend innovativen Stücken des Electronic-Ambient Künstlers 1605munro, um ein einzigartiges musikalisches Erlebnis zu schaffen.

Es folgte INTERMEZZO 19, eine der kürzeren Ausstellungen von EGB, bei der Armin Kauker seine Arbeiten unter dem Titel „Swinging” als eine Hommage an John Cage verstand. Das Kernstück der Ausstellung bildete eine Serie von 17 Assemblagen,  die wie musikalische Partituren als eine Hommage an den Komponisten John Cage fungieren. Die „Noten” der Partituren, aus Kupfer mit Blattgold überzogen, sind Originalteile aus der „Laternenbekrönung“ (die beleuchtete Kuppelspitze) des Berliner Doms. Als Rettungsaktion hat Armin Kauker diese „Fundstücke” während der Restaurierung des Doms 2006 zu seinen Assemblagen weiterverarbeitet. Armin Kauker ist wie ein Einzelgänger in der Berliner Kunstszene, der Kunshochschulen oder andere Künstlergruppierungen immer gemieden hat.

Das Galerieprogramm wurde fortgesetzt mit der ersten Ausstellung des im Programm der Galerie neu vertretenen jungen Künstlers Michael Struck. Als Motto seiner ersten Ausstellung hat Michael Struck (*1982) sich Raymond Roussels experimentellen Roman „Locus Solus“ von 1913 gewählt.
Der im Dunstkreis der Surrealisten tätige Schriftsteller gilt mit seinem rätselhaften und mysteriösen Werk als Erfinder der „écriture automatique“. Der Roman schildert die Führung einer illustren Truppe durch den Wissenschaftler Canterel im ominösen Park Locus Solus. Seine Ausführungen zu den dort zu sehenden Skulpturen, Maschinen und deren Geschichten eröffnen rätselhafte und labyrinthartige Erzählungen.
Vielleicht ebenso rätselhaft werden dem Betrachter die Werke der Malerei und die Monotypien von Michael Struck erscheinen. Kleinformatige wie auch großformatige Arbeiten in grauen und weißen Schattierungen zeigen Szenen, wie sie uns entfernt bekannt vorkommen mögen. Als Vorlagen dienen Struck Fotografien, die er intuitiv auswählt. Sie stammen aus Fotoalben unbekannter Familien, wie er sie auf Flohmärkten oder in Trödelläden findet und für seine Sammlung erwirbt. Es sind meist Alben deutscher Familien, die die Geschichte des letzten Jahrunderts mit den Katastrophen zweier Weltkriege umfassen, und sie mehr oder minder deutlich zeigen oder auch verschweigen. Während frühere Arbeiten von Struck sich unmittelbar auf Kriegsgeschehnisse beziehen, zeigt die neuste Serie „Das große Haus“ scheinbar harmlose Alltagsszenen wie das „Spielzimmer“ oder das „Schreibzimmer“.

Ab 1. Juli zeigte der polnische Konzeptkünstler Pawel Polus (*1979) seine neue Einzelausstellung unter dem Titel „Eclipse“.  Der Begriff bezeichnet üblicherweise den Naturvorgang, wenn der Mond sich vor die Sonne schiebt und diese verdeckt. Polus stellt in Bezug auf das System Kunst zwei Fragen, nämlich,  wer oder was verdeckt wen oder was?
Pawel Polus begreift dies auch als eine Hommage an den amerikanischen abstrakten Maler Ad Reinhard (1913–1967), den er als letzten modernen Maler begreift, und dem es um nichts anderes ging als die Malerei,  die Farbe und keineswegs um Repräsentation.
Seine schwarzen Gemälde sah Ad Reinhard als letzte Gemälde,  die er machen könne, bevor sich die Malerei auflöse. In einem Text von 1962 erteilte Ad Reinhardt jeglichem Referenzsystem in Bezug auf die Kunst eine Absage. Seine schwarzen Gemälde sah Ad Reinhard als letzte Gemälde, bevor sich die Malerei auflöse. In einem Text von 1962 erteilte Ad Reinhardt jeglichem Referenzsystem in Bezug auf die Kunst eine Absage. In diesem Sinne waren Polus‘ Arbeiten mit verschiedenen Materialen und auch auf Leinwand dunkel gehalten und verwandelten den ganzen Galerieraum in eine begehbare Installation mit schwarzen Flächen, die an einigen Stellen sich zum Cluster verdichteten und skulptural in den Raum ragten.

Das Kuratoren-Kollektiv „Something Human“gestaltete am 7.Juni im Rahmen ihres Projektes MOVE W i t h (OUT) einen Performanceabend mit Künstlern um das Künstlerduo Penzo + Fiore. Aus London nach Berlin brachten sie portable Kunstwerke, wie Fotografien, Mixed Media, Keramik-Skulpturen, aber auch gefundene Objekte, die eigens für diese Aktion von der Künstlergruppe gefertigt wurden.
Als Vorspann zum 8. Sommerfestival der Internationalen Kunst – UK trifft Berlin im folgenden Juli, gab es eine Perfomance von Alessandro Bevilacqua, einem Mitglied der experimentellen Künstlergruppe von Jennifer Rosa mit dem Titel „Mirrors“. Die Performance findet unter Partizipation der Zuschauer statt und thematisiert unser Selbstbild sowie unsere Sehnsucht nach einer mythisch aufgeladenen goldenen Vergangenheit. Für die EGB ist das eine wunderbare Vorbereitung auf das diesjährige Thema des Sommerfestivals: „After Image“ (nach dem Bild).

Am 26. Juli 2013 war die EGB Gastgeber für die Launch Party des ambitionierten Online-Kulturmagazins „Station to Station“, das von zwei Standtorten (New York City und Berlin) aus über Kunst- und Kulturereignisse an beiden Orten berichtet und so eine transatlantische Brücke schlagen will.

Zum 8. Mal, vom 3.8.-14.9.2013 veranstaltete die EGB ihr Sommerfestival Internationaler Kunst und widmete es diesmal der Begegnung mit Kunst aus Großbritannien unter dem, von den beiden Kuratorinnen Barbara Nicholls und Karen Roulstone gewählten Motto “After Image”.
Das dreiphasige multimediale Projekt wurde begleitet von einem umfangreichen Rahmenprogramm mit Performances, Lesungen und Konzerten. Beteiligte Künstlerinnen und Künstler neben den beiden Kuratorinnen waren Robert Ellis, John Frankland, Matt Hale, Charlotte Knox-Williams, David Ryan, Mark Sowden, Chris Short, Erika Winstone undTrish Wylie.
Das Konzept „After Image“ entstand aus Diskussionen der Kuratorinnen über ihre Kunstpraktiken, die verbunden sind mit Kartographien, Erinnerung und sinnlicher Vorstellung. Auf dieser Basis wurde die Auswahl von Künstlern aus UK für das diesjährige Sommerfestival getroffen. Die Vorstellung des Nachbilds ist verbunden mit dem optischen Phänomen der Nachwirkung, die eine Lichtquelle auf der Netzhaut, sogar bei geschlossenen Augen in Gestalt eines Bildes hinterlässt. Dieses geisterhafte Schattenbild kann als Umkehrung des Originals, als Negativ des Positivs begriffen werden, ähnlich wie es bei der analogen Fotografie der Fall ist. Diese Möglichkeit, ein Bild etwas später erneut zu sehen, legt einen optischen Prozess nah, der nur augenblicklich etwas entstehen und allmählich wieder verlöschen lässt. Die Flüchtigkeit von Bildern nahmen die hier versammelten Künstler verschiedenster Genre und Medien zum Ausgangspunkt und erschlossen einen Raum für poetische Deutungen. In den Arbeiten wurde das Spiel mit Vernetzung und Austausch zwischen den verschiedenen Medien deutlich.
Bei einer Lesung am 7. August trugen Ann Caldwellund Robert Ellis ihre Texte im Original vor und wurden anschließend von dem Schauspieler Hans Brückner übersetzt vorgelesen. Außerdem war eine Video von Emma Alonzes zu sehen, in dem sie mit geschlossenen Augen aus Ton ein Selbstportrait formte.
An einem weiteren Abend im September sprach Sarah Darwin, die u.a. über ihren berühmten Vorfahren Charles Darwin publiziert hatte, über Natur und Kunst anlässlich der dreiteiligen britischen Ausstellung. Matt Nicholls und Oliver Fitch gaben anschließend eine Performance ihrer Neuen Musik.

Mit der Vernissage zur Ausstellung „Traveling Light“wurde am 20. September mit der Künstlerin Ellen Sylvarnes das Galerieprogramm fortgesetzt. In ihrer zweiten Einzelausstellung bei der Emerson Gallery Berlin widmet sich die Künstlerin mit neuen Arbeiten ihrer gleichwohl alchemistischen wie auch ästhetischen „Materialforschung“. Der doppeldeutige Titel „Traveling Light“ bedeutet einerseits soviel wie „leicht bepackt“ oder „leichtfüßig“ zu reisen und meint andererseits die Fortbewegung des Lichts. Erst kürzlich hat die us-amerikanische Künstlerin mit irischen Wurzeln ein Stipendium in Lendava in Slowenien absolviert. Von dort wird sie – wie um den Titel zu ironisieren – Skulpturen nach Berlin bringen und außerdem Zeichnungen, Keramiken und Fotografie im Gepäck haben.

Im Rahmen der Ausstellung von „Traveling Light“wurde im September das zehnte Jubiläum des Bestehens der EGB gefeiert. Richard SylvarnesEnkidu rankX und Klaus Killisch stellten einen Film- und Musikabend zusammen, der eine Hommage an die Frühgeschichte des Spielfilms darstellte, als Kinovorführungen noch in der Regel von einem Kleinkonzert angepasster Musik begleitet wurden. Die Veranstaltung fand in einem Bereich zwischen Phil Spectors Wall of Sound und einer Klanginstallation statt. Durch die Mischung einer Reihe von Kurzfilmen von Sylvarnes und Elektronik – Klang, Musik und Geräusche – wurde ein allumfassendes Environment geschaffen, ein Labyrinth für die Sinne.

Anlässlich Inge Mahns 70. Geburtstages im November eröffnete die Emerson Gallery Berlin eine besondere Ausstellung der langjährigen, emeritierten Professorin der Kunsthochschule Weißensee. Ihre 4. Einzelausstellung in der Galerie, mit dem Titel „Kanon“, führte Arbeiten aus vier Jahrzehnten zusammen. „Kanon“ bedeutet soviel wie Richtschnur, Maßstab, Regel oder Leitfaden, in der bildenden Kunst besagt der Begriff: “… die Gesetzmäßigkeit der in den Maßverhältnissen all ihrer Teile ausgewogenen Gestalt.“
Der offene Raum am Ufer der Spree, ungeteilt durch Wände und Türen, bot genug Platz für die Zusammenkunft alter, fast vergessener und neuerer Plastiken zu einem Festbankett. Die unterschiedlichen Arbeiten wirkten im Miteinander wie gute Bekannte, die sich lange nicht gesehen und darum viel zu sagen haben und so war trotz aller Unterschiede deren Verbindung spürbar.
Schon als junge Künstlerin, mit Anfang 30, von Harald Szeemann als Teilnehmerin zur legendären documenta 5 eingeladen, hatte Inge Mahn bereits ihre persönliche Formsprache gefunden, die sie kontinuierlich weiterentwickelte. Allgemeine Merkmale kehren wieder wie ein zündendes musikalisches Motiv: der Gebrauch „armer“ (wertfreier) Materialien, die geometrische Formsprache und die Alltagsästhetik. Die einzelnen Stimmen der ausgestellten Objekte verbinden sich, wie im musikalischen Kanon, zu Akkorden zu Harmonien. Aber der erste Eindruck wurde vom darauf folgenden widerlegt, d.h. auf den zweiten Blick wirkte das Ensemble widersprüchlich, komisch und subversiv.